• DIE AUSROTTUNG DER KATHARER

    Die Ausrottung der Katharer



    TRAUER NOCH IMMER

    Die Worte Languedoc und Okzitanien bezeichnen mehr als eine Landschaft im Süden Frankreichs. Für die Bewohner der Region stehen sie auch für eine eigenständige, lebensfrohe Kultur. Raimund von Toulouse war von hier zum sogenannten 1. Kreuzzug gegen den Islam aufgebrochen. Rund hundert Jahre später verwüsten und erobern Kreuzfahrer das Languedoc.
    Peter von Vaux-de-Cernay hat die Kreuzzüge im Süden Frankreichs aus der Sicht der Initiatoren beobachtet. Der Chronist schildert den Einzug der Kreuzritter in Minerve am 12. Juli 1210:

    Das Kreuz wurde vorangetragen, es folgten die Banner des Grafen. Alle sangen das >Gott wir loben dich< und begaben sich zur Kirche. Christus hatte die Stadt erobert.

    Was noch geschah, wird auf einem Schild auf dem Kirchplatz von Minerve mitgeteilt:

    Am 12. Juli 1210 starben hier einhundertachtzig Parfaits in den Flammen für den katharischen Glauben und die Unabhängigkeit Okzitaniens.

    Parfaits (Vollkommene) hießen die Priester der Kirche der Katharer. Der Chronist beschreibt die näheren Umstände ihres Todes:

    Man errichtete einen großen Scheiterhaufen und warf sie alle hinein. In Wahrheit hatten die Unseren es nicht nötig, sie hineinzuwerfen. Sie stürzten sich selbst ins Feuer, so sehr beharrten sie auf dem Bösen.

    Das Languedoc war ein reiches Land, Béziers war eine blühende Stadt. Am 22. Juli 1209 stürmt ein Kreuzzugsheer aus Nordfrankreich die Stadt Béziers nach kurzer Belagerung. Auch hier ist der Vorgang nicht in Vergessenheit geraten. Eine amtliche Tafel an der Kirche besagt:

    Die Bekreuzten haben 1209 hier die Bewohner Béziers niedergemetzelt und die Kirche angezündet. Nach dem Sieg der Barone aus dem Norden flüchteten die Bewohner von Béziers in die Kirchen, wo die Bekreuzten ein Blutbad unter ihnen anrichteten. Der 22. Juli blieb als Tag des großen Gemetzels in der Erinnerung bewahrt.

    Die Kreuzzüge, die in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts den Süden Frankreichs verwüsteten, sind im Languedoc nicht zu den historischen Akten gelegt worden. Ein Denkmal an der Autobahn bei Narbonne, komponiert aus massiven Zementtürmen, Kugeln und eisernen Ketten, drückt aus, was viele in der Region denken: Okzitanien wurde von den Baronen aus dem Norden seiner Freiheit beraubt. Und die okzitanischen Autonomisten meinen, die Ketten seien geblieben. Auf Steintafeln stehen die Namen der Städte und Burgen, in denen die Scheiterhaufen brannten. Sie lösen hier noch immer Trauer und Zorn aus: Béziers, Carcassonne, Minerve, Lavaur, Lastours, Marmande, Albi, Mirepoix, Montségur

    WORUM ES GING

    Was hat diese Region so erbarmungslos heimgesucht? War es ein Eroberungskrieg. Ein Glaubenskrieg? Eine Ketzerverfolgung? Oder alles zusammen? Der Chronist der Kirche, der Augenzeuge Peter von Vaux-de-Cernay, hat das Ereignis benannt: Der Kreuzzug gegen die Albigenser. Schauplatz war die Grafschaft Toulouse, die formal zur französischen Krone gehörte. Den Königen aber fehlten die Machtmittel, um ihre Ansprüche im Süden durchzusetzen. Vor dem Kreuzzug war die Grafschaft reich und unabhängig. Auch die römische Kirche konnte ihre Macht im Languedoc nur begrenzt entfalten. In ganz Europa stellten im 12. Jahrhundert häretische Gemeinschaften oder einzelne Prediger das Monopol der römischen Kirche in Frage. Im Süden Frankreichs war es sogar schon bedroht. Typisch dieser Vorfall im Jahr 1116 in Le Mans: Der Bischof gibt einem Mönch namens Heinrich die Erlaubnis, die Fastenpredigt zu halten und begibt sich auf eine Reise. Der Mönch spricht offenbar in seiner Predigt aus, was viele ohnehin über die Kirche denken. Es kommt zu antikirchlichen Tumulten und der Bischof hat nach seiner Rückkehr alle Mühe, die Gläubigen zu beruhigen. Die Angestellten des Bischofs jagen den Aufrüher aus der Stadt.

    DIE GEISTER, DIE SIE RIEFEN

    Die Reformpäpste waren bemüht, das Schachern um Kirchenpfründen und den zur Schau getragenen Reichtum mancher Amtsträger einzudämmen. Sie beauftragten die Orden, die Einhaltung der Armuts- und Keuschheitsgebote zu predigen. Diese Botschaft wurde gern gehört, solange die Amtsträger der Kirche gemeint waren. Die Behörden erhoben den Kirchenzehnten und viele Priester forderten für die Erteilung der Sakramente Gegenleistungen. Den Gläubigen war nicht entgangen, das sie mit ihren Abgaben das Wohlleben in den Palästen der Kirchenfürsten finanzierten. Aber sie merkten auch bald, dass die schönen Reden über die Seligkeit der Armut und die Vorzüge der Enthaltsamkeit nur ihnen galten. In den Speise- und Bettkammern vieler Amtsträger blieb alles beim alten. So schärften die Forderungen der Reformer den Blick für die Missstände in der Kirche, schafften sie aber nicht aus der Welt. Der aufkommende Unmut war durch das Wirken der offiziellen Kirche nicht mehr zu besänftigen. Die Kirche erlaubte daher einfachen Mönchen, die Betreuung der Gläubigen zu übernehmen. Dieser Schritt war erfolgreich, wenn auch nicht im Sinn der Amtskirche. Viele Mönche wetterten weiter gegen die Missstände, und zwar glaubhaft, weil sie selbst arm waren.

    ANGSTMACHENDE KIRCHE

    Die Kirche schärfte das Sündenbewusstein und drohte allen mit dem Fegefeuer und ewiger Verdammnis, die keine Buße taten. Die Bußstrafen der Kirchenbehörde entfremdeten die Gläubigen der Kirche. Die Mönche dagegen kamen der Sehnsucht nach persönlicher Seelsorge entgegen. Ein solches Vorgehen führt die Gläubigen oft nicht zurück in die Kirche, sondern zur Häresie. Der Kölner Chronist notiert zum Jahr 1163:

    In diesem Jahre kamen auch einige Häretiker von der Sekte derer, welche Katharer genannt werden, aus Flandern nach Köln. Sie fingen an, nahe bei der Stadt verborgen in einer Scheune zu wohnen. Da sie jedoch nicht einmal sonntags in die Kirche gingen, so wurden sie von den Anwohnern ergriffen und angezeigt. Sie wurden vor die katholische Kirche gestellt und lange über ihre Sekte ausgefragt. Aber sie ließen sich durch keine beweiskräftigen Zeugnisse belehren, sondern beharrten hartnäckig auf ihrer Lehre. Daher wurden sie aus der Kirche ausgestoßen und den Händen der Laien übergeben. Diese führten sie am 5. August aus der Stadt und überlieferten sie dem Feuertod, vier Männer und ein Mädchen. Das Mädchen wäre durch das Mitleiden des Volkes fast gerettet worden, wenn sie nach dem Schreck über den Tod der anderen auf guten Rat gehört hätte. Doch plötzlich riss sie sich los und stürzte sich freiwillig ins Feuer und fand den Tod.

    Besonders in Südfrankreich wurden viele Christen abtrünnig und bildeten eigene Gemeinden. Für die Häretiker der Grafschaft Toulouse macht der Chronist der Kirche zu unrecht den Namen Albigenser aktenkundig. Auch in Albi brannten die Scheiterhaufen, aber die Stadt war kein Zentrum der Abtrünnigen. Sie nannten sich selbst bonshommes, gute Menschen. Später bezeichnete man sie als Katharer, wahrscheinlich nach katharoi, die Reinen. Die Verfolger der Häresie im Languedoc haben die Selbstzeugnisse der Katharer vernichtet. Was über ihren Glauben bekannt ist, wurde weitgehend den Akten und Chroniken ihrer Gegner entnommen. Eine umfangreiche und zum Teil recht spekulative Literatur liegt vor.

    DIE KIRCHE EINE HURE

    Für die Katharer hatte die Verdammnis mit der Schöpfung selbst begonnen, die irdische Welt war für sie das Werk des Satans. Daher bewegte die Androhung irdischen Feuers die Katharer nicht zum Einlenken, sowenig wie sie die angedrohten Flammen des Fegefeuers und die ewige Verdammnis fürchteten. Da ihnen alles Irdische sündhaft war, lehnten die Katharer das Sündenbewusstsein und den Strafkatalog der Kirche ab. Sie verachteten die Sakramente, zahlten den Kirchenzehnten nicht und ließen Frauen zum Priesteramt zu. Die katharische Kirche war besitzlos und kostenlos. Ihre Rituale fanden in Wohnungen statt. Es war eine Untergrundkirche daher schwer zu bekämpfen. Über die Agitation der Katharer liegt der naturgemäß feindselige Bericht des Chronisten Peter von Vaux-de-Cernay vor:

    Sie alle, Glieder des Antichrists, Erstgeborene des Satans, schlechte Saat, Verbrecher, heuchlerische Lügner, Verführer schlichter Herzen, hatten mit dem Gift ihrer Perfidie fast die ganze Provinz Narbonne verseucht. Sie sagten, die römische Kirche gleiche einer Räuberhöhle und jener berüchtigten Hure, von welcher in der Offenbarung die Rede ist. Die Sakramente der Kirche hielten sie für nichtig und lehrten in der Öffentlichkeit, das Wasser der Taufe würde sich keineswegs vom fließenden Wasser unterscheiden und die Eucharistie keineswegs vom Brot für den profanen Gebrauch. Solche Gotteslästerung träufelten sie in die Ohren der Schlichten: Der Leib Christi wäre seit langem verfallen, auch wenn er die Größe der Alpen gehabt hätte. Firmung, letzte Ölung und Beichte hielten sie für frivole, ganz und gar nichtige Sachen. Die heilige Ehe, so lehrten sie, sei Hurerei und in diesem Stand könne keiner sein Heil erwirken, indem er Söhne und Töchter zeuge.

    Feudalherren und Kirche sehen in ganz Europa die bestehende Ordnung durch abtrünnige Gemeinschaften Die weltlichen Behörden sind bereit, Abtrünnige zu verfolgen und nach ihrer Verurteilung hinzurichten. Auf einem Konzil in Tours im Jahr 1163 klagt
    Papst Alexander III. über die Zunahme der Häresie in der Grafschaft Toulouse. Aber im Süden Frankreichs lehnen viele Barone Zwangsmaßnahmen gegen die Katharer ab. Die Kirche versucht daher, mit Predigern und Disputen der Häresie beizukommen. Im Jahr 1165 sagen Vertreter der katharischen Kirche in Lombers vor einem Untersuchungsausschuss der Kirche aus. Die Anwesenheit des Vizegrafen von Carcassonne und anderer weltlicher Fürsten macht deutlich, dass es sich um ein hochpolitisches Verfahren handelt. Die Katharer erscheinen freiwillig, nachdem ihnen freies Geleit zugesichert worden war. Die untersuchenden Bischöfe mussten auf eidliche Aussagen verzichten. Sehr geschickt wiesen die Katharer bei allen Verhandlungen darauf hin, dass ihr Glaube jeden Schwur verbiete. Damit entfielen die Strafandrohungen für Meineidige. Die Katharer bekennen ihre Glauben und vermeiden aber dabei sorgfältig, direkt gegen kirchenrechtliche Bestimmungen zu verstoßen. Am Ende beschuldigen die Vertreter der Orthodoxie die Katharer der Häresie, ohne sie nachgewiesen zu haben. Aber das Urteil ist richtig: Der Glaube der Katharer war nach kirchlichem Recht ohne Zweifel eine Häresie.

    NUR VOM FEIND ÜBERLIEFERT

    Da die Inquisition die Selbstzeugnisse der Katharer mit dem gleichen Eifer vernichtet hat wie diese selbst, kennen wir deren Glauben und deren Kult nur durch die gegen sie gerichtete Propaganda. Peter von Vaux-de-Cernay:

    Man sollte auch wissen, dass unter diesen Häretikern einige >Vollkommene< oder >gute Menschen< genannt wurden, andere >Gläubige der Häretiker<. Die Parfaits trugen schwarze Gewänder. Diese Lügner sagten, sie würden in Keuschheit leben. Sie verweigerten jede Aufnahme von Fleisch, Eiern und Käse. Sie wollten als ehrliche Menschen gelten, logen aber ständig, wenn es um Gott ging. Sie sagten auch, man dürfe in keinem Fall einen Eid schwören. Die Gläubigen lebten in dieser Welt und versuchten gar nicht, den Lebenswandel der Parfaits anzustreben. Aber sie hofften, der Glaube jener Parfaits würde ihr Seelenheil erwirken. Auch wenn sie sich wegen des Lebenswandels uneins waren, in ihrem Glauben (wir sagen lieber: in ihrem Unglauben) waren sie sich eins. Diejenigen, die man >Gläubige der Häretiker< nannte, ergaben sich dem Wucher, dem Raub, dem Mord, dem Meineid und allen Heimtücken. Sie sündigten mit einer Selbstsicherheit und einer Wut, die umso größer waren, da sie sich einbildeten, sie würden ihr Heil erwirken ohne Rückgabe des Diebesgutes, ohne Beichte und ohne Sühne. Sie mussten nur in der Stunde ihres Todes in der Lage sein, das Vaterunser zu beten... Die häretischen Parfaits hatten Amtspersonen, die sie >Diakone< und >Bischöfe< nannten. Deren Handauflegen war erforderlich, um für den Sterbenden das Heil zu erwirken. Tatsächlich legten sie jedem Sterbenden die Hände auf, auch wenn er noch so schuldig war, wenn er nur das Vaterunser beten konnte. Sie betrachteten ihn sodann als geheilt und mit ihren eigenen Worten als >consolé< (getröstet), so dass er ohne Buße, ohne jegliche Abbitte für seine Sünden gen Himmel flog. Uns ist folgende lächerliche Begebenheit zugetragen worden: Ein Gläubiger erhielt in der Stunde des Sterbens das Consolamentum, indem sein Meister ihm die Hände auflegte, konnte aber Vaterunser nicht mehr beten und starb. Der Trostspendende aber wußte nicht, was nun der Fall war. Der Tote schien gerettet, denn ihm war das Handauflegen zuteil geworden, gleichzeitig aber schien er verdammt, weil er das Gebet des Herrn nicht mehr hatte sagen können.

    Peter von Vaux-de-Cernay hat die Einzelheiten wahrscheinlich verzerrt wiedergegeben. Aber als sicher kann gelten: Die Gläubigen der katharischen Kirche konnten ihre Sünden ohne Angst begehen und der Zugang zum ewigen Leben war für sie umstandslos und kostenfrei. Die katharische Kirche erfreute sich eines großen Zulaufs, aber die Mehrheit im Languedoc blieb der römischen Kirche treu.

    GEFÄHRLICHE TOLERANZ

    In Saint-Felix, östlich von Toulouse, tagt 1167 ein überregionales Konzil der katharischen Kirche. In aller Öffentlichkeit werden Priester und Bischöfe geweiht, ohne dass eine Behörde einschreitet. Die weltlichen Herren des Languedoc tolerierten weitgehend die katharische Kirche. Einer der mächtigsten dieser Herren war
    Trencavel, Vizegraf von Carcassonne und Béziers. In Carcassonne findet 1204 ein Disput zwischen Katholiken und Katharern statt. Erneut werden die Katharer der Häresie schuldig gesprochen, aber nicht bestraft. Trencavel, der junge Vizegraf, ist zwar selbst kein Katharer, duldet aber einen katharischen Bischof. In den Augen der Kirche ist Carcassonne ein Bollwerk der Häresie, in den Augen der französischen Krone ist es ein Hort der Rebellion. Aber Rom und Paris sind weit. Der Süden Frankreichs wird vom König von Aragon und den Grafen von Toulouse und Carcassonne beherrscht. Sie führten gelegentlich Krieg untereinander, waren sich aber einig, den französischen König und den Papst aus ihren Händeln herauszuhalten. Trencavel nutzte seine Unabhängigkeit zur Entfaltung eines toleranten und lebensfrohen höfischen Stils. Sein höchster Beamter war, zum Missfallen des Papstes, ein Jude. Und was die am Hof von Carcassonne geschätzten Troubadoure zum Besten gaben, entsprach längst nicht mehr der öffentlich gepredigten Moral der Kirche. Der Stil am Hofe von Carcassonne entsprang einer geistigen Haltung, die im ganzen Languedoc verbreitet war. Graf Raimund VI. von Toulouse hatte allerdings mit staatsmännischem Weitblick erkannt, welche Gefahren ein Konflikt mit der römischen Kirche in sich barg. Er hatte schon im Jahr 1177 die Mönche des Klosters Cîteaux aufgefordert, die Häretiker zu missionieren. Das war wohl zu wenig. Der Chronist der Kirche notiert:

    Das arglistige Toulouse hat selten oder niemals etwas gegen die abscheuliche Pest der Häresie unternommen... die adligen Herren des Languedoc unterstützen fast alle die Häretiker ...

    ROM WIRD AKTIV

    Der Ton der Mitteilung lässt erkennen, dass es Anfang des 13. Jahrhunderts ernst wird. Die Zeit war reif für Maßnahmen gegen Toulouse. Vor fünfhundert Jahren hatte es den Arabern und Mauren getrotzt. Seit dem Niedergang des römischen Reiches hatte der Süden viele fremde Herren überlebt, z. B. die arianischen - also abtrünnigen - Westgoten und die islamischen Mauren. Nun kündigen sich neue fremde Herren an, und zwar diesmal im Namen des rechten Glaubens. In Rom wird 1198 ein neuer Papst gewählt. Er heißt Innozenz III. und lässt schnell erkennen, dass er mit der Häresie aufräumen will. 1203 wendet sich der Papst verstärkt den südfranzösischen Angelegenheiten zu und beauftragt Peter von Castelnau aus dem Zisterzienserkloster Fontfroide mit der Niederwerfung der Häresie. Der Legat versucht es zunächst mit Predigten bei den Häretikern und Zureden beim prassenden Klerus. Wie andere vor ihm ohne Erfolg. Als Hauptursache der Häresie macht der Legat
    Peter von Castelnau schließlich Raimund VI., den Grafen von Toulouse aus. Er wirft ihm vor, die Häretiker zu fördern, statt sie zu verfolgen. Im Jahre 1207 exkommuniziert der Legat den Grafen von Toulouse.

    MORD AN DER RHONE

    Der exkommunizierte Graf trifft im Januar 1208 mit dem Legaten auf seinem Stammsitz in Saint Gilles zusammen. Raimund erklärt sich bereit, die Häresie aktiv zu bekämpfen. Die Zugeständnisse reichen dem Legaten nicht aus. Der Graf bleibt aus der Kirche ausgeschlossen. Auf seiner Weiterreise wird der Legat am 14. Januar bei Arles ermordet. Peter von Vaux-de Cernay zitiert einen Brief des Papstes an die Barone und die Bewohner mehrerer Provinzen des Südens. In diesem Brief wird der Mord so geschildert:

    Nachdem die Messe wie üblich zelebriert worden war, machten sich die tugendvollen Ritter Christi am nächsten Tage beim Morgengrauen daran, über den Fluss zu setzen. Da verletzte hinterrücks einer dieser Trabanten des Satans (Raimund) mit seinem Speer den Legaten Peter zwischen den Rippen, der auf Christus wie auf einen festen Fels gestüzt, auf derartigen Verrat nicht gefasst war. Treuherzig blickte er seinen Angreifer an und sagte eingedenk des Beispiels seines Herrn Jesus Christi und des seligen Stephans: >Möge Gott Dir verzeihen, wie ich dir verziehen habe<. Er wiederholte mehrmals die frommen, hingebungsvollen Worte, und dann ließ ihn die Hoffnung auf den Himmel den bohrenden Schmerz seiner Wunde vergessen. Während der Augenblick seines Hinscheidens nahte, fuhr er fort, mit seinen Gefährten Maßnahmen zur Förderung des Friedens und des Glaubens zu besprechen und entschlief nach mehreren Gebeten im Herrn.

    VERURTEILUNG OHNE UNTERSUCHUNG

    Der Mörder war ein Vasall des Grafen von Toulouse. Das muss nicht bedeuten, dass er im Auftrag seines Herrn handelte. Die vorsichtige Politik des Grafen lässt die Vermutung zu, dass er bei Verstand war. War er bei Verstand, kann er den Mord nicht veranlasst haben. Die Ermordung eines Legaten des Papstes war vollkommen nutzlos und musste fürchterliche Folgen haben. Zwei Monate nach dem Mord exkommuniziert Papst Innozenz III. den Grafen erneut und schreibt an die Barone im Norden:

    Was nun den Grafen von Toulouse angeht, gegen welchen der Bannfluch geschleudert wurde wegen schwerer und zahlreicher Verfehlungen, so ergibt sich seine Verantwortung für die Ermordung des heiligen Mannes aus sicheren Verdachtsmomenten: Nicht nur, dass er öffentlich Todesdrohungen gegen ihn ausgestoßen und ihn in einen Hinterhalt gelockt hat. Er hat vielmehr, so hört man, seinen Mörder im vertrauten Kreise empfangen und ihm eine große Belohnung gegeben, von anderen Vermutungen ganz zu schweigen, die für uns klar belegt sind. Er werde aus diesem neuen Grund von obengenannten Erzbischöfen und Bischöfen öffentlich mit dem Bann belegt ... Es sollen alle, die dem Grafen durch Treue- oder Bündnisschwur verbunden sind, kraft unserer apostolischen Autorität für aus dem Schwur entlassen erklärt werden. Es sei somit jedem Katholiken, vorbehaltlich der Rechte des ranghöheren Herrn nicht nur gestattet, den Grafen in Person zu bekämpfen, sondern auch seine Güter zu besetzen und zu behalten, damit die Weisheit eines neuen Besitzers die Häresie in diesem Land vertilgen möge, mit welcher es durch die Schuld des Grafen bis zum heutigen Tage schändlich besudelt ist.

    AUFRUF ZUM KREUZZUG

    Der französische König hatte bisher gezögert, gegen den Grafen vorzugehen. Der Vorwurf, er habe die Häresie nicht bekämpft, war aus feudaler Sicht ein dürftiger Rechtsgrund. Jetzt wurde der Graf beschuldigt, einen päpstlichen Legaten ermordet zu haben. Die Untat an der Rhone, von einem Gefolgsmann des Grafen vielleicht nur aus Dummheit begangen, wird die Machtverhältnisse in Europa verändern. Der Papst fordert die Feudalherren im Norden und alle Gläubigen auf, die Häresie mit Gewalt zu bekämpfen und verspricht die Vergebung der Sünden:

    Voran, nun, Ritter Christi! Voran, tapfere Rekruten des christlichen Heeres! Möge der Aufschrei der heiligen Kirche euch mitreißen! Möge ein frommer Eifer euch entflammen, eine solche Beleidigung eures Gottes zu rächen!... Der Glaube, so sagt man, ist dahin, der Frieden tot, die häretische Pest und die kriegerische Wut sind zu neuen Kräften gekommen. Dem Boot der Kirche droht ein vollkommener Schiffbruch, falls ihm in diesem ungeheueren Sturm keine tatkräftige Hilfe zuteil wird. Wir bitten euch daher, unsere Mahnungen zu erhören, wir fordern euch mit Wohlwollen im Namen Christi auf und versprechen euch angesichts solchen Unheils Vergebung für eure Sünden, damit Ihr unverzüglich Abhilfe schafft in der großen Gefahr.

    NEHMT IHRE LÄNDEREIEN

    Papst Innozenz III. knüpft an die Tradition der Kreuzzugsaufrufe an: Die Häretiker sollen vernichtet und enteignet werden. In der Propaganda für den Kreuzzug gegen die Katharer wird die Häresie häufig als Pest bezeichnet. Etwas Schlimmeres als die Pest war nicht vorstellbar. Abtrünnige stellen für jede Glaubensgemeinschaft die größte Gefahr dar. Folgerichtig erklärt der Papst, die Vernichtung der Häretiker sei wichtiger als die Bekämpfung der Andersgläubigen. Der Papst befiehlt:

    Widmet euch der Vernichtung der Häresie mit allen Mitteln, die Gott euch eingeben wird. Seit gewissenhafter als bei den Sarazenen, denn sie sind gefährlicher. Bekämpft die Häretiker mit starker Hand und hoch erhobenem Arm. Wenn der Graf von Toulouse... der Kirche und Gott keine Genugtuung leistet, dann verjagt ihn und seine Mittäter aus den Zelten des Herrn. Nehmt ihm seine Ländereien weg, damit katholische Einwohner die vernichteten Häretiker ersetzen können ...

    Der Chronist
    Wilhelm von Tudèle
    beschreibt eine Besprechung zwischen Arnold, dem Abt von Cîteaux und Papst Innozenz in Rom. Der Abt soll geäußert haben:

    ... lasst in Frankreich und der ganzen Welt bis Konstantinopel den Ablass verkünden. Wer das Kreuz nicht nimmt, soll nicht mehr das Recht haben Wein zu trinken und am Tische zu essen... und wenn er stirbt anders begraben zu werden als ein Hund ...

    Der Papst macht den Abt zum kirchlichen Anführer des Kreuzzuges mit den Worten:

    Schlagt den Weg nach Carcassonne und Toulouse ein... Du wirst die Armeen gegen das bösartige Volk führen, im Namen von Jesus Christus ...

    DER KÖNIG STIMMT ZU

    Mit der Exkommunizierung des Grafen und seiner Vasallen hatte der Papst die kirchenrechtlichen Voraussetzungen für einen Angriff auf das Languedoc geschaffen. Aber ohne die Mitwirkung des französischen Königs ist ein Kreuzzug gegen Toulouse und Carcassonne aussichtslos. In mehreren Schreiben hat der Papst den König aufgefordert, sich an die Spitze des Kreuzzuges zu stellen. Peter von Vaux-de-Cernay notiert:

    Der König erwiderte dem Boten des Herrn Papstes, er habe an seinen Flanken zwei gefährliche Löwen: Den angeblichen Kaiser Otto und Johann, König von England, die beiden nach Kräften bemüht wären, das Königreich Frankreich zu zerstören und er weigere sich aus diesem Grund, Nordfrankreich zu verlassen.

    In Villeneuve bei Paris trifft der König Anfang Mai 1209 mit dem Anführer des Kreuzzuges, dem Abt von Cîteaux und einigen bedeutenden Fürsten zusammen. Der König lehnt es erneut ab, den Kreuzzug anzuführen, erlaubt aber seinen Vasallen, das Kreuz zu nehmen. Die Werbung für den Kreuzzug ist in vollem Gang. Peter von Vauxde-Cernay:

    Um die katholischen Völker dazu zu bewegen, die Pest der Häresie auszurotten, hatte der Heilige Vater Zirkularbullen an alle Prälaten, Barone und Einwohner des Königreichs Frankreichs gesandt. Er forderte sie darin mit Nachdruck auf, gegen die Provinz Narbonne zu ziehen, um die Schmach des Gekreuzigten zu rächen und er ließ sie wissen, Gott und sein Stellvertreter würden allen die Vergebung der Sünden gewähren, die vom Eifer für den katholischen Glauben entflammt, die Waffen nehmen würden für dieses fromme Werk, sofern sie bereut und gebeichtet hätten. Was soll ich noch sagen? Der Nachlass wurde in Nordfrankreich verkündet: Eine große Anzahl von Gläubigen nahm das Zeichen des Kreuzes.


    RAIMUND UNTERWIRFT SICH

    Die Lage ist für den Grafen von Toulouse bedrohlich geworden. Um einen Einmarsch in seine Gebiete zu verhindern, unterwirft er sich am 18. Juni 1209 vor der Kathedrale von Saint Gilles der Kirche. Peter von Vaux-de-Cernay beschreibt den Vorgang:


    In Anwesenheit der Legaten, der Bischöfe und Erzbischöfe, zwanzig an der Zahl, schwört der Graf auf die Hostie und die heiligen Reliquien, welche die Prälaten zahlreich und mit großer Ehrfurcht vor dem Portal ausstellen, in allem den Befehlen der heiligen römischen Kirche zu gehorchen. Dann legt der Legat seine Stola um den Hals des Grafen, holt ihn an der Stola heran, peitscht ihn mit Ruten und zieht ihn in die Kirche hinein ... Wegen einer großen Menschenmenge kann der Graf die Kirche nicht auf dem Weg verlassen, den er beim Betreten benutzt hat. Er muss daher in die Krypta hinabsteigen und nackt am Grab des allerseligsten Märtyrers, des Bruders Peter von Castelnau vorbeigehen, dessen Mord er veranlasst hatte.